Es ist die Zeit gekommen, dass die Eingewanderten ihren Lebensmittelpunkt auf Deutschland konzentrieren und ihre Handlungs- und Lebensweisen nach ihren Bedürfnissen hier ausrichten. Dazu gehört es auch, dass sie ihre Religionsfreiheit unabhängig von Parteien der Heimatländer ihrer Väter oder Mütter der 1. Generation nach ihren Bedürfnissen ausüben können.
Eine Moschee oder ein Moscheeverband sollte nicht als Spalterin bzw. Spalter da sein. Beide müssen ihre Tätigkeit und ihren Einsatz – religiöse, gesellschaftliche, kulturelle, bildungsmäßige, seelsorgerische Tätigkeiten und Handlungsweisen – nach den Bedürfnissen und Problemlagen der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund ausrichten. Es ist falsch, solche Tätigkeiten, Aktivitäten und Handlungen nach politischen Vorgaben aus den Herkunftsländern zu gestalten.
Eine Moschee oder ein Moscheeverband hier in Deutschland sollte existieren, weil die hier lebenden Menschen – egal, ob sie Einheimische oder Einheimische mit Migrationshintergrund sind – einen Bedarf haben, ihre Religion dort auszuüben. Dieser Bedarf wird durch die Lebensumstände, die hier in Deutschland vor Ort bestehen – die familiärer, schulischer, beruflicher, gesundheitlicher, kultureller, geschlechtlicher oder gesellschaftlicher Art sein können – bestimmt. Diese Lebensumstände sind völlig losgelöst von Parteien wie z. B. aus der Türkei. Wenn die betroffenen Menschen Probleme oder Fragen in diesen Lebensbereichen haben, so kann eine Partei aus der Türkei darauf keine Antwort haben und sie kann auch keine Lösungen nach den rechtlichen und gesellschaftlichen Möglichkeiten, die hier in Deutschland bestehen, anbieten. Daher ergibt sich aus der Natur der Sache heraus, dass die Betroffenen ihre Angelegenheiten unabhängig vom Parteibuch eines Herkunftslandes nach der hiesigen Gesellschaft richten müssen.
Der neue Moscheeverband in Hannover möchte in diesem Sinne für alle Menschen aus allen Nationalitäten und für Jugendliche, Frauen und Ältere da sein. Er möchte nicht von einer Partei – egal aus welchem Land – abhängig sein. Alle sollen in der Moschee dieses Verbandes ohne Ausschluss wegen Zugehörigkeit zu einer Partei, zu einem Verband oder zu einer anderen Organisation, gemeinsam beten dürfen.
Neuerungen gibt es insbesondere in dem Vorstand des neuen Verbandes. Es sind mehrere Frauen im Vorstand vertreten, die hier in Osnabrück islamische Theologie studiert haben. Sie sind nicht mehr Gesandte aus der Türkei mit Parteibuch oder aus einem anderen Staat mit Parteibuch. Sie haben sich durch ihr Studium der Islamwissenschaften tiefe Kenntnisse in Religion angeeignet und können die Betenden in religiösen und religiös-gesellschaftlichen Fragen auch fachmännisch leiten und beraten.
Dass islamische Theologen in Deutschland ausgebildet werden, folgt daher, dass seit einigen Jahren Islamwissenschaften in mehreren Universitäten in Deutschland als Studium angeboten werden, insb. in Osnabrück, Gießen, Fraunkfurt und Münster. Diese neuen Theologen kennen das hiesige Leben und die Probleme der Gesellschaft mit oder ohne Migrationshintergrund und können lebenspunktspezifisch arbeiten. Die gesandten Imame aus der Türkei und anderen Ländern jedoch kennen und kannten nur die Probleme aus ihren Herkunftsländern und können oder konnten hier nicht lebenspunktspezifisch arbeiten.
Der neue Moscheeverband möchte sich für den Ausbau eines regulären Islamunterrichts in den Schulen einsetzen. Auch möchte sich der Verband für die niedersächsische Regierung als neuer Ansprechpartner zur Verfügung stellen und ist bereit, einen regen Meinungsaustausch zu führen und an Lösungsansätzen konstruktiv mitzuarbeiten.
Der ehemalige Vorstizende der Schura Avni Altiner hatte jahrelang betont, dass die Arbeit der Verbände sich nach den Problemen der hiesigen Migranten richten sollte. Auch der ehemalige Vorsitzende des DITIB-Verbandes Yilmaz Kilic hatte das gefordert. Er trat zuletzt aus dem DITIB-Verband zurück, weil er die Einmischung der Türkei in de Verbandsangelgenheiten nicht mehr mittragen wollte.
Die Einmischung der Türkei in die DITIB-Verbandsarbeit führte sogar zuletzt dazu, dass die niedersächsiche Justizministerin Barbara Havliza (CDU) die Gefangenenseelsorge mit der DITIB aufkündigte.
Die Islamverbände DITIB und Milli Görüş bekommen ihre Imame aus der Türkei geschickt. Die Religionsbehörde, die durch die türkische Regierung kontrolliert wird, entsendet die Imame zu den Moscheen in Deutschland. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu skandalträchtigen Verhaltensweisen in den Moscheen gekommen. Sie haben während der Wahlen in der Türkei Wahlwerbung für die AKP betrieben und die Betenden versucht, für nationale Interessen der türkischen Regierung zu instrumentalisieren. Diese Verhaltensweisen führten dazu, dass Kurden, Anhänger der Parteien CHP, HDP und anderer nicht mehr in ihre Moscheen kommen durften. Angebliche oder tatsächliche Anhänger oder Unterstützer der Gülen-Bewegung wurden aus den Moscheen ausgeschlossen. Das alles zeigt, wie die Gesellschaft mit Migrationsgrund in eine Parallelgesellschaft geraten ist, in der die Spaltung auch dieser Gesellschaft massiv vorangetrieben worden ist.
Es ist Ziel und Wunsch des neuen Moscheeverband sich von der Gesellschaftsspaltung zu distanzieren und sich nach dem hiesigen Lebensmittelpunkt der Muslime unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, Rasse, Geschlecht und Alter zu orientieren.
Die Vielfalt der muslimischen Gläubigen, die aus zahlreichen Ländern der Erde hier in Deutschland ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben, hat einen solchen Verband, der ihre Interessen gemeinsam vertritt, verdient. Eine positive Entwicklung bleibt abzuwarten.