Die AKP-Regierung trägt innentürkische politische Auseinandersetzungen auf deutschem und europäischem Boden aus.
Mit dem Verfassungreferendum soll die parlamentarische Demokratie in der Türkei in eine Präsidialherrschaft umgebaut werden. Präsident Erdogan will seine eigene Diktatur auch verfassungsrechtlich garantieren. Auch hat er mehrfach angekündigt, bei Annahme des Referendums die Todesstrafe wiedereinzuführen. Er sagte: „ Die EU interessiert mich überhaupt nicht. Was Hans und Jochen sagen interessiert mich nicht. Was Hasan und Mehmet und was Ayse und Fatma sagen, interessiert mich eher. Wenn das Parlament die Todesstrafe auf den Weg bringt und mir das Gesetz vorlegt, unterschreibe ich.“
Deutschland ist zu einer Plattform der AKP auf dem zur Entdemokratiesierung, den Abbau eines Rechtsstaats und der Einführung der Todesstrafe in der Türkei geworden. Dass solche undemokratischen Denkweisen in Deutschland auf Kundgebungen der AKP erlaubt werden, kann und sollte eine zivile Gesellschaft mit demokratischen Werten und Normen verstehen. Für diese demokratischen Werte musste Deutschland hart kämpfen. Bis diese Werte erreicht wurden, mussten Millionen unschuldiger Menschen zu Opfern werden, Stichwort Holocaust.
Deutschland und die deutsche Bevölkerung waren zu Zeiten der Militärjunta in Griechenland in den Jahren 1967 bis 1974 als das Regime der Obristen eine Verhaftungs-, Folterungs- und Unterbringungwelle von Gefangenen auf undurchwegsamen Inseln mit mangelnder bis fehlender Versorgung vornahm, als in den Jahren 1973 bis 1990 in Chile die Militärjunta unter der Führung des Augusto Pinochet Verhaftungen und Ermordungen vornahm, auf die Straße gegangen und hatten sich gegen diese Regime positioniert. Wo ist jetzt diese Tradition geblieben? Deutschland und die deutsche Gesellschaft sollte sich an ihre Grundwerte erinnern und ein neues Bewusstsein entwickeln. Diese Werte können nicht mit dem, was Deutschland sich hinsichtlich des Flüchtlingsdeals mit der Türkei zu erkaufen hofft oder erkauft zu haben denkt, aufgewogen werden.
Die AKP-Regierung hat die Gesellschaft in der Türkei stark gespaltet. Alle diejenigen, die eine freie Meinung äußern, die nicht die politischen Werte der AKP akzeptieren, die die Fehler und Missstände der AKP-Regierung aufdecken und womöglich noch anprangern, als da wären Journalisten, Wissenschaftler, Beamte, Oppositionelle etc., werden „gesäubert“. Sie werden alle verhaftet und gleich mit der Begehung von Terrorstraftaten beschuldigt und angeklagt. Medien werden verboten oder gleichgeschaltet. In Umfragen wird in der Türkei regelmäßig ermittelt, dass mindestens jeder 4. wahlberechtigte türkische Bürger keine Kenntnisse über die geplante Verfassungsänderung hat. Die Bevölkerung wird tagtäglich nur damit konfrontiert, was ihr bevorsteht, wenn sie nicht für die Verfassungsänderung stimmt. Aufklärung erfolgt nicht. Die Medien, die die Bevölkerung aufklären könnten, sind gleichgeschaltet oder geschlossen oder ihre Mitarbeiter sitzen in den Gefängnissen.
Sehen das die verantwortlichen Politiker in Deutschland und Europa nicht? Oder wollen sie das nicht sehen?
Dass die Türkei seit Jahrzehnten nur mit dem Versprechen, dass sie in die EU aufgenommen wird, „hingehalten“ wird und wurde, rächt sich womöglich jetzt?
In Oberhausen hat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim, vor Tausenden von Anhängern für die umstrittene Verfassungsreform geworben. Nordrhein-Westfalen rechnet damit, dass auch Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Deutschland auftreten und Wahlkampf betreiben wird. Das will die rot-grüne Landesregierung zu verhindern versuchen. Man wolle "in NRW keine solchen Veranstaltungen, die den Keil der Spaltung weiter in unsere Gesellschaft treiben", sagte Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) dem Kölner Stadt-Anzeiger
Grünenchef Cem Özdemir wies auf den Widerspruch hin, der durch das Verhalten des türkischen Ministerpräsidenten Yildrim zu tage gekommen ist. Während Liberale, angeblich Terrorverdächtige, Demonstranten und Oppositionspolitiker in der Türkei, die gegen das Referendum am 16.04.2017 stimmen und sich damit für demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit einsetzen wollen, entlassen, verhaftet und veruteilt werden, treibt der türkische Ministerpräsidetn Yildirim für die AKP in Deutschland seelenruhig Wahlkampf, um die Abschaffung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf den Weg zu bringen.
Cem Özdemir erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): “Es gibt einem schon zu denken, dass der türkische Ministerpräsident Yıldırım Wahlkampf für einen Staat von Erdoğans Gnaden unter den in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürgern macht, während die Opposition in der Türkei in Gefängnissen schmort.”
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer kritisierte, dass eine Umsetzung der Verfassungsreform in der Türkei dazu führe, dass sich „die Türkei immer weiter vom Western entfernt“.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hält indes dagegen, dass die Kritik in Deutschland eine „Doppelmoral“ sei. Ihr Vositzender Gökay Sofuoglu sagt dem RND gegenüber: „Man kannn nicht einerseits in der türkischen Regierung einen engen Partner sehen, wie es die Bundesregierung etwas in der Flüchtlingsfrage tut, und sich andererseit über den Besuch der türkischen Politiker in Deutschland echauffieren.“
Das alles zeigt, dass die AKP-Regierung mit ihren gleichen Methoden und Denkweisen, mit denen sie in der Türkei die türkische Gesellschaft stark gespalten und ihrer demokratischen Rechte immer weiter beraubt hat, auch unter den in Deutschland und Europa lebenden türkischen oder türkischstämmigen Bürgern die Gesellschaft spalten möchte. Hier wurden z. B. systematisch durch die Imame des in Deutschland als Verband ansässigen DITIB Bürger, die hier friedlich leben und sich in der hiesigen Gesellschaft einbringen, ausspioniert und bei den türkischen Behörden angezeigt, weil sie angeblich oder tatsächlich Anhänger z. B. der „Gülenbewegung“ sind oder seien. Die türkische Regierung hat Agenten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland systematisch Spionage unter den hier friedlich lebenden türksichen oder türkischstämmigen Bürgern betreiben lassen.
Derzeit werden diejenigen türkischen Bürger, die wählen dürfen, durch solche oder ähnliche Spione ausgefragt, wie sie beim Referendum abstimmen werden. Diejenigen, die zum „Nein“ tendieren, werden an die türkischen Behörden gemeldet und sie werden auch bereits hier in Deutschland aggressiv angegriffen. Diejenigen Moscheebesucher, die zum „Nein“ tendieren, dürfen nicht mehr die Moscheeräume betreten.
Mürvet Öztürk (fraktionslos) und Turgut Yüksel (SPD) hessische Landtagsabgeordnete wurden durch die türkische Boulevardzeitung Sabah, die in Hessen Mörfelden erscheint und AKP-nah ist, mit den Vorwürfen, sie seien „Verräter der Türkei“ beschuldigt. Diese beiden Landtagsabgeordneten engagieren sich gegen die Bestrebungen des türkischen Präsidenten Erdogan, eine Präsidialherrschaft zu errichten. Sie riefen dazu in Deutschland lebende EinwanderInnen auf, bei dessen Referendum mit "Nein" zu stimmen.
Durch diese „Spaltungspolitik“ schadet die AKP-Regierung den türkischen und kurdischen EinwandererInnen in Deutschland. Sie baut damit mehrere Parallelgesellschaften in Deutschland auf, diejenigen mit AKP-Ideologien und diejenigen mit Anti-AKP-Ideologien. Die Integration dieser EinwandererInnen in die hiesige ziviel Gesellschaft wird erschwert, weil zwischen ihnen Feind- und Freundbilder erzeugt werden, so dass sie sich nicht gemeinsam zu einem Bestandteil der hiesigen Gesellschaft entwickeln können. Das wäre aber für ein friedliches Zusammenleben aller Bürger in Deutschland nötig.
Damit keine Parallelgesellschaften entstehen können, müssen die EinwadererInnen stärker in die hiesige Gesellschaft eingebunden werden. Sie müssen an dieser Gesellschaft teilhaben. Sie müssen davon ferngehalten werden, dass sie „Heimatpolitik“ auf deutschem Boden betreiben. Sie haben ihren Lebensmittelpunkt hier. Also müssen sie sich hier einbinden. Dazu ist aber von der deutschen Politik nötig, den EinwandererInnen Teilhaberechte wie auch das aktive und passive Wahlrecht zu gewähren. EinwandererInnen sollten daher demokratische Rechte hier einfordern.