Auf den ersten Blick klingt das Angebot nach einer guten Sache: Die türkische „Union Internationaler Demokraten“ (UID) soll ein Abkommen mit Turkish Airlines über Rabatte getroffen haben. Angeboten werden Vergünstigungen zwischen zwei und zehn Prozent auf den Flugpreis, marginale Umbuchungsgebühren und zusätzlich zehn Kilo Freigepäck für alle, die ihre UID-Mitgliedsnummer bei der Buchung vorlegen.
Deal mit Turkish Airlines: „Großartige Gelegenheit, neue Mitglieder zu gewinnen“
Das Abkommen soll laut einem Rundschreiben der deutschen UID-Vize-Präsidentin Esma Koc Agca an die deutschen Regionalvorsitzenden der UID, das FOCUS online vorliegt, bereits am 1. Mai in Kraft getreten sein. Die Info wurde unter anderem über soziale Medien und eine Reiseagentur in Hessen verbreitet.
In dem Schreiben heißt es unter anderem: „UID-Mitgliedern werden besondere Rabatte auf Flugtickets von Turkish Airlines (THY) angeboten. Dies ist eine großartige Gelegenheit, neue Mitglieder im Rahmen dieser neuen Vereinbarung zu gewinnen.“
AKP-Lobbyorganisation von Erdogan angeregt
Auf den zweiten Blick wird allerdings klar: Die UID ist trotz ihres Namens nicht bekannt dafür, demokratische Prozesse in der Türkei anzustoßen. Im Gegenteil: die Gruppe gilt als Lobbyorganisation der Regierungspartei AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Sie wurde 2004 auf Anregung des Autokraten Erdogan, der gegen politisch Andersdenkende mit repressiver Härte vorgeht, gegründet. Vom Kölner Hauptsitz aus wird auch die Arbeit der UID in diversen anderen EU-Ländern koordiniert.
Das Schreiben mit den Rabatt-Informationen an die Regional-Vorsitzenden der UID in Deutschland.
Verfassungsschutz hat Erdogan-Fans seit Jahren im Blick
Die Gruppe, die als Verein eingetragen ist und in Deutschland die meisten Niederlassungen auf EU-Ebene betreibt, versteht sich selbst aus wohlmeinender Mittler zwischen europäischen Türken und den jeweiligen Staaten, in denen sie leben.
Dass es dabei jedoch immer wieder zu verfassungsrechtlichen Konflikten kommt, lässt sich in den Berichten des Bundesamts für Verfassungsschutzes nachlesen. So kam die Behörde 2017 zum Schluss, dass die UID „nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar“ sei - und observiert die Gruppe seitdem.
Mobilisierungspotenzial, das auch bei Erdogan-Wahl "zum Tragen kam“
Und auch im brandaktuellen Jahresbericht 2023 des Verfassungsschutzes taucht die UID in Zusammenhang mit der Arbeit türkischer Nachrichtendienste auf. „Sie spähen in Deutschland Vereinigungen und Einzelpersonen aus, die tatsächlich oder mutmaßlich in Opposition zur türkischen Regierung stehen“, heißt es. Zudem erfolgten „Einflussnahmeaktivitäten von türkischen Organisationen auf türkeistämmige Gemeinschaften in Deutschland, die Auswirkungen auf den politischen Willensbildungsprozess oder Entscheidungsfindungen in Deutschland haben können“.
Als „größter staats- beziehungsweise regierungsnaher Interessenverband für die Einflussnahme“ nennt der Verfassungsschutz in diesem Zusammengang die UID. „Sie verfügt in Deutschland über ein erhebliches Mobilisierungspotenzial, welches auch bei den türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zum Tragen kam.“
In diesem Kontext sind auch die angeblichen Rabatte politisch relevant. Denn offensichtlich dienen sie dazu, in Europa, und damit auch Deutschland, lebende Türken enger an die Erdogan-Ideologie anzubinden und sie auf regierungstreue Linie zu bringen. Und das über eine Organisation wie die UID, die der Verfassungsschutz als mindestens problematisch einstuft.
Turkish Airlines und UID schweigen zu Flugrabatten
Besonders pikant in diesem Zusammenhang: bei „Turkish Airlines“ handelt es sich um eine halbstaatliche Fluggesellschaft. Die türkischen Steuerzahler finanzieren also gewissermaßen die für regierungsnahe UID-Mitglieder geltenden Flugrabatte aus ihrer eigenen Tasche. Auf der Homepage der Fluggesellschaft ist nichts zu finden zu den Rabatten für AKP-nahe UID-Mitglieder.
FOCUS online wollte sowohl „Turkish Airlines“ als auch von der UID unter anderem wissen, ob es die Rabatte, über die bereits das in Deutschland betriebene, türkische Internetportal „Avrupa Postasi“ berichtete, wirklich gibt und ob sie dann auch für die Angehörigen von türkischen Oppositionsparteien gelten.
Weder „Turkish Airlines“ noch die UID reagierten bislang auf entsprechende Anfragen der Redaktion.
(FOCUS-online-Reporter Ulf Lüdeke)