Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit

Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von Rassismus. Er kann vieles umfassen und hat viele Erscheinungsformen.

Viele Kontroversen über die Bedeutung des Wortes «Rassismus» erklären sich daraus, dass sowohl eine enge als auch eine weite Bedeutung des Ausdrucks parallel genutzt wird.

Rassismus als ein kulturelles Phänomen, wurde während der Französischen Revolution diskutiert und für gleich aussehende Menschen gedacht. Hitler hat daraus die Ariertheorie entwickelt.

Der Antisemitismus basiert auf sehr viel älteren kulturellen und religiösen Phänomenen. Der Antisemitismus hat in der Nazizeit zu Menschenvernichtungen, Pogromen, Völkermord und ethnischen Säuberungen geführt. Die Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten, Oppositionelle etc. wurden durch den Rassismus und den Antisemitismus zu Opfern. Die Nazis wurden zu Tätern.

Trotz der menschenverachtenden nationalsozialistischen Verbrechen des Hitlerregimes aus Antisemitismus und Rassismus heraus, ist auch heute noch möglich, dass andere Menschen als Juden zu Opfern aus Rassismus und Antisemitismus werden können. Heute haben wir vielmehr dafür den „Ersatzbegriff“ Fremdenfeindlichkeit.

Klassisches Konzept von «Rassismus» (enge Bedeutung)

Rassistisch sind Ideologien, welche die Menschheit in eine Anzahl von biologischen Rassen mit genetisch vererbbaren Eigenschaften einteilen und die so verstandenen «Rassen» hierarchisch einstufen.

Das klassische Konzept war vorherrschend in der Epoche des europäischen Kolonialismus und Imperialismus bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese pseudo-biologische Ideologie diente der Rechtfertigung des Kolonialismus, der Sklaverei, der Verbrechen der Nazis oder von Apartheidregimes. D. h., man kann sagen, dass Sinn und Zweck des Rassismus in der Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung der Vorherrschaft besteht.

Rassismus umfasst Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden.» (Johannes Zerger, Was ist Rassismus?, Göttingen 1997, S.81).

Diese Definition erweitert den Anwendungsbereich des Ausdrucks «Rassismus» von den biologisch aufgefassten «Rassen» auf alle Arten von Abstammungs-gruppen, die als andersartig dargestellt werden, insbesondere auf die «ethnischen Gruppen» oder «Völker».

Viel Beachtung fand in der neueren Diskussion auch ein Definitionsvorschlag von Albert Memmi:

Es ist davon auszugehen, dass Rassismus immer dann vorliegt, wenn bestimmte körperliche Merkmale oder Eigenschaften qualitativ bewertet werden, z.B. wenn Hautfarben Rückschlüsse auf die geistigen Fähigkeiten geben sollen. Des weiteren liegt Rassismus dann vor, wenn gelerntes Verhalten, z.B. Intelligenz, naturalisiert, d.h. als angeboren unterstellt wird. Diese Arten des Rassismus bezeichnet man auch als genetischen Rassismus. Rassismus liegt z.B. auch vor, wenn behauptet wird, dass Frauen per se weniger Rationalität, dafür von Geburt an aber mehr Gefühl zukomme als Männern usw.
 

Neben dem genetischen Rassismus gibt es einen sogenannten kulturellen Rassismus. Er liegt immer dann vor, wenn bestimmte Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuche anderer als negativ abweichend deklariert werden. Dieser kulturelle Rassismus scheint auf dem Vormarsch zu sein. Auch diese Form des Rassismus dient in der Praxis der Ausschließung anderer, die man benötigt, um ihnen den umkämpften Platz an der Sonne streitig zu machen.

Der Rassismus des sogenannten "Ethnopluralismus" liegt darin, dass er eine Vermischung von Menschen, die unterschiedlichen Kulturen angehören, nicht zulassen will.

„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen.“ (Albert Memmi, Rassismus, Frankfurt a.M. 1987, S.164).

Auch im rechtlichen Sinne gibt es keine einheitliche, formelle Definition von Rassismus. Nah an der Rechtspraxis ist das Verständnis von „rassistischer Diskriminierung“ als dem Inbegriff von Ungleichbehandlungen, Äußerungen oder Gewalttaten, die bewirken oder beabsichtigen, dass Menschen wegen ihrer äußeren Erscheinung (Rasse) oder ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Nationalität oder Religion herabgesetzt werden.

Problematik des „Rasse“-Begriffs in der Gesetzgebung

Wenn in Verfassungs- oder Gesetzestexten der Begriff „Rasse“ vorkommt, wie zum Beispiel in Artikel 3, Abs. 3 des Grundgesetzes: „…Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse,…benachteiligt oder bevorzugt werden“ oder in der EU-Rassenrichtlinie 2000/43/EG: „Die EU weist Theorien, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, zurück. Die Verwendung des Begriffes „Rasse“ in dieser Richtlinie impliziert nicht die Akzeptanz solcher Theorien…“, so schafft die Verwendung dieses Begriffs einen Widerspruch. Denn der Begriff „Rasse“ wird unterdessen in der globalen Gesellschaft als ein rassistisches Konzept, d. h., als typisches Element von rassistischen Ideologien, aufgefasst. Die Auseinander-setzung mit dieser terminologischen Schwierigkeit und der kontroversen Diskussion hat im deutschsprachigen Raum erst begonnen:

·        „ … und welcher Rasse gehören Sie an?“ Zur Problematik des Begriffs „Rasse“ in der Gesetzgebung
Policy Paper von Hendrik Cremer, Deutsches Institut für Menschenrechte, November 2009 (pdf, 16 S.)

·        Ein Grundgesetz ohne „Rasse“. Vorschlag für eine Änderung von Artikel 3 Grundgesetz
Policy Paper von Hendrik Cremer, Deutsches Institut für Menschenrechte, April 2010 (pdf).

Heute sind in Europa und auch in den USA Rechtspopulisten als verantwortliche Politiker oder als solche, die die Regierung übernehmen wollen, unterwegs. Sie alle beschuldigen EmigrantenInnen oder Flüchtlinge für soziale Schieflagen in ihren eigenen Ländern. Sie alle wollen an die Macht oder wollen an der Macht bleiben mit fremdenfeinlichen Wahlkampfstrategien und -parolen. Ist Fremdenfeindlichkeit die neue Form des „Rassismus“ oder der neue Begriff dafür? Wenn dem so ist, so sind alle demokratischen Parteien, Verbände, Organisationen und Gesellschaftschichten dazu aufgerufen, die demokratischen Werte und Normen, die so schwer errungen worden sind, zu bewahren und sich für ihren Erhalt vehement einzusetzen.