Die Öffentlichkeit, politische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und alle sozialen Verbände sind nur mit der Flüchtlingssituation und mit der Lösung der Fragen in dieser Sache beschäftigt.
Es ist in Vergessenheit geraten, dass wir hier ungelöste Fragen zur Einwaderungsproblematik insgesamt haben. Es wird so getan, als gebe es oder als hätte es keine Migration mit ungelösten Aufgaben in Deutschland vor den Flüchtlingen gegeben. Dieses Phänomen gibt es derzeit in Deutschland, aber auch in ganz Europa. Bis heute ist die Integration nicht vorangetrieben worden. Es gibt nach wie vor Ghettoisierungen, Parallelgesellschaften, hohe Arbeitslosigkeit unter den Migranten, hohe Schülerzahlen ohne Schulabschluss, Benachteiligung der Migranten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt etc.
In Europa leben seit mindestens 1960 Migranten aus verschiedensten Ländern der Welt, und zwar in der 4. und 5. Generation. Die Probleme die mit ihnen gekommen sind oder die durch ihr Kommen und durch ihr Zusammenleben in der hiesigen Gesellschaft entstanden sind, sind bis heute nicht gelöst. Das, obwohl sie mittlerweile ein Bestandteil der europäischen Gesellschaft ohne Rechte aber mit Pfichten geworden sind. Sie haben immer noch keine demokratischen Rechte. Sie haben kein aktives und passives Wahlrecht. In manchen Bundesländern gibt es für sie z. B. nicht einmal selbst organisierte Gremien oder Beiräte, in denen sie ihre Stimme erheben können oder in die sie wählen und gewählt werde können.
Die Bildungsproblematik für Kinder aus Migrantenfamilien ist bis heute nicht gelöst. Das deutsche Schulsystem ist eingeführt worden, als es keine Migration in Deutschland gab. D. h., es wurde für ein Volk, für die Kultur und für das Intellekt dieses Volkes geschaffen. Die deutsche Bevölkerung ist aber seit mehr als 50 Jahren nicht mehr aus einem Volk bestehend. Es sind viele Minderheiten vorhanden. Deren Bildungsbedarf, kulturelle Entwicklungen und sozialen Hintergründe müssen im Schulsystem Einklang finden. Das ist dringend nötig, weil künftig auch die Kinder mit Migrationshintergrund eine mittragende Säule in der deutschen Gesellschaft sein werden. Sie werden in Zukunft das Sozialsystem in Deutschland mit aufrecht erhalten. Auch sie sind die Zukunft in Deutschland. Also müssen heute die Grundmauern dafür durch Änderung und Anpassung des Bildungssystems an die Kinder mit Migrationshintergrund angepasst werden. Wenn sie schulisch und beruflich nicht gefördert werden, so ist das ein Resourcenverlust mit fatalen Folgen für die Zukunft. Die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen klagen zwar ständig über die schlechte Prognose der demographischen Entwicklung. Aber die Resourcen, die man hier mitten in der Gesellschaft hat, werden nicht genutzt.
In Deutschland gibt es Hundertausende EinwandererInnen, die kein Bleiberecht bekommen haben. Sie werden seit 20 und mehr Jahren geduldet. Sie dürfen nicht einer Arbeit nachgehen. Wenn sie einen Arbeitsplatz finden, so gibt es eine Vorrangprüfung, so dass sie die Arbeit doch nicht antreten dürfen. Von Behördenseite heißt es dann, kein Bleiberecht, weil sie keine Arbeit haben und weil sie den Lebensunterhalt für sich und für ihre Familie nicht selbst verdienen. Sie werden dann aus Deutschland abgeschoben. Auch diese unsoziale und undemokratische Problematik ist bis heute noch nicht gelöst worden.
Von den eine Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland haben 2 - 3 % einen Migrationshintergrund. Unter den jugendlichen Einwanderern beträgt die Arbeitslosigkeit 30 %. Sie haben kaum oder sehr schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Der Grund dafür liegt darin, dass sie weder schulisch noch beruflich gefördert werden. Für die Berufsvorbereitungen investiert der Staat nicht genügend Gelder. Wenn diese jungen Menschen nicht qualifiziert werden, so finden sie keine bessere Arbeit oder sie finden gar keine Arbeit und können zur Entwicklung der Gesellschaft wenig oder nichts beitragen. Das frustriert. Auch diese Jugendlichen brauchen Anerkennung, ein Gefühl des Gebrauchtwerdens, des Willkommenseins.
Die EinwandererInnen der ersten Generation sind schon längst im Rentenalter. Es gibt für sie keine genügenden Altersheime, die auf ihre kulturellen, sozialen, familiären und religiösen Bedürfnisse eingestellt sind.
Die EinwandererInnen der ersten Generation haben ihr Leben lang körperlich hart gearbeitet. Arbeitslosigkeit kannten sie nicht. Ihre Rentenbezüge sind jetzt nicht ausreichend genug. Sie mussten jahrelang für niedrigere Löhne arbeiten. Ihre Rentenbezüge sind jetzt auch aus sochen Gründen niedriger. Insbesondere
die der Einwanderinnen. Sie haben aufgrund der Erziehung der Kinder, aufgrund der Vorgaben in der Familie wenig oder nicht einer Arbeit nachgehen konnten, so dass sie kaum oder keine Alterssicherheit aufbauen konnten. Deshalb gibt es unter den Migranten auch das Problem der Altersarmut. Dieses Problem wird nicht thematisiert.
Nach wie vor leiden Familien mit Migrationshintergrund mehr an der Wohnungsnot. Wie bei der Arbeitssuche, werden sie auch bei der Wohnungssuche diskriminiert. Wenn Diskriminierungen dieser Art bekannt werden, so schlägt das in der deutschen Öffentlichkeit keine Wellen. Allenfalls gibt es nur beiläufige Berichte, die nicht auffallen, denen dann auch nicht nachgegangen wird.
Die Migranten werden bis heute von der deutschen Gesellschaft nicht als Teil dieser Gesellschaft akzeptiert, obwohl viele von ihnen deutsche Pässe haben. Wenn über sie berichtet wird, so wird immer das Wort "Deutsche/r mit Migrationshintergrund" oder "Deutsch-Türke", "Deutsch-Russe" etc. hinzugefügt. D. h., es wird immer daran erinnert, dass der/die Eingebürgerte nicht voll hierher gehört. Das Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft löst die Probleme nicht. Die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und im Bildungswesen dauert auch mit einem deutschen Pass an.
Die Kultur von EinwandererInnen hat immer noch nicht den gleichen Wert und Status wie die Kultur der Deutschen. Das Recht auf politische Mitbestimmung, das aktive und passive Wachlrecht haben die Migranten immer noch nicht zugebilligt bekommen, obwohl die Menschheit mittlerweile im 21. Jahrhundert lebt und die Welt jeden Tag globaler wird. Wenn mehrere Millionen EinwandererInnen in Europa nicht mitbestimmen können, wenn sie kein aktives und passives Wahlrecht haben, so ist es schwer zu verstehen, wenn Europa sagt, dass es demokratisch ist. Das ist in Deutschland z. B. auch deshalb schwer nachvollziehbar, weil viele politische Parteien akzeptiert haben, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.
Die Frage der Integration der EinwandererInnen, die doch schon so lange in Europa leben, ist immer noch nicht gelöst. Es wird für die Integration sehr wenig getan. Viele Einwandererinnen sind sogar noch mehr von der Integration ausgeschlossen. Ihre schulische und berufliche Entwicklung liegt deutlich hinter dem der Männer. Dadurch, dass sie sich nicht so häufig in der Gesellschaft bewegen, sind sie noch weniger integriert. Wenn die Sprache auf die Integration kommt, so heißt es, dass die EinwandererInnen auch etwas tun müssen, um sich zu integrieren. Damit das aber gelingt, müssen die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.
Alle Fragen, die die EinwandererInnen betreffen, sind Fragen der gesamtdeutschen Gesellschaft. Sie sollten daher auch als solche behandelt werden. Die Lösungen zu diesen Fragen sollten auch von der gesamten Gesellschaft zusammen gesucht werden.