20 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln

 Redebeitrag Ramazan Avci Initiative (RAI) am 17.11.2012 in Mölln

Bundesweite Demo : Das Erinnern wach halten – 20 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag von Mölln

 



Heute sind wir hier in Mölln, wo  vor 20 Jahren  drei Menschen auf grausamste Weise ermordet wurden. 

Mitverantwortlich an dem Tod von Bahide und Yeliz Arslan sowie von Ayse Yilmaz sind die rassistischen Hetzer.

Nach der Wiedervereinigung richtete sich diese Hetze gegen alles was als „Undeutsch“ galt. Obdachlose, Punks, Humanisten, Flüchtlinge oder MigrantInnen. Die Hetze diente der Schaffung einer neuen nationalen Identität für Herkunftsdeutsche. Deutschland musste sich als Nation neuerschaffen und knüpfte an altbewährte Traditionen an. Ausgrenzen und zur Zielscheibe erklären. „Wir“ und die „Anderen“ als neue Identitätsfindungsstrategie. 

Die faktische Abschaffung des Asylgrundrechtes wurde mit diesen Morden durchgesetzt. 

Wenige Tage nach Mölln,  haben sich CDU/CSU, FDP und SPD auf den sogenannten Asylkompromiss geeinigt. Wenige Tage nach Solingen ist im Bundestag das Asylgrundrecht abgeschafft worden. Symbolträchtiger kann man die rassistische Arbeitsteilung nicht inszenieren.

Den Opfern beizustehen fiel den politisch Verantwortlichen selten ein.

Weder der damalige SPD Ministerpräsident Engholm noch der Bundeskanzler Kohl oder der Bundespräsident ließen sich bei den Protesten in Mölln blicken. Der Einheitskanzler wollte keinen Beileidstourismus, wie er es nach Solingen formulierte. 

So steht diese Kleinstadt symbolisch für die rassistische Hetze der 90er Jahre.  Obwohl der Brandanschlag von Mölln weder der Anfang noch das Ende der rassistischen Morde ist. Im In- und Ausland ist Mölln durch diese Morde bekannt geworden. Selten erringen Kleinstädte einen derart nachhaltigen Ruf wie Mölln. Da mag es für  Mölln wie ein Trost erscheinen, dass durch Solingen eine weitere Stadt einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreichte. 



Wir wurden mit diesen Morden sozialisiert. Sie haben sich in unseren Gedächtnissen verewigt.

Den MigrantInnen wurde schlagartig bewusst, dass nicht nur Asylbewerber oder Flüchtlinge zur Zielscheibe werden konnten.

Sie organisierten sich.  Zum Teil bewaffneten sie sich und sorgten oft in Selbstschutzaktionen dafür, dass auch die Rassisten zur Zielscheibe wurden.

An den Protesten am 27.11.92 in Hamburg beteiligten sich annährend 15.000 Menschen.  Die Schulen wurden boykottiert, viele Geschäfte und Imbisse blieben aus Protest geschlossen. Die Arbeit wurde von einigen niedergelegt.

Wir konnten Hoyerswerda, Rostock, Mölln , Hünxe und Solingen nicht verhindern.  Es sind mehr als 180 Opfer seit den 90ern zu beklagen. Noch heute werden täglich 45 rechtsextremistische Taten gezählt.

Wir müssen uns ebenfalls schonungslos eingestehen, dass sich niemand bei den NSU Morden ernsthaft vorgestellt hat, dass es eine Serientat von Rassisten ist.  Migrantenverbände, NGOs, Linke oder Antifas haben sich bis November 2011 an der Bezeichnung „Döner-Morde“ oder SOKO Bosporus nicht gestört.

Sie haben sich für diese Morde kaum interessiert. Dass die Familien drangsaliert,  ins kriminelle Milieu gerückt und isoliert wurden, hat selten gestört. Wir wollen keine Geschichtsverklitterung betreiben.

Das Problem heißt Rassismus.  Damit müssen wir uns selbst als ein Teil des Problems begreifen. Wir müssen uns und unsere Privilegien in Frage stellen.



Wenn sich die sog „Zwickauer Nazizelle“ jahrelang frei bewegen und morden konnte, dürfen wir nicht damit rechnen, dass die rassistischen Morde in Deutschland ein Ende nehmen werden.

Aus den NSU Morden lernen heißt für uns, kein absolutes Vertrauen in die staatlichen Instanzen zu setzen.  Es bedeutet nicht darauf zu warten, wann die Nazis wieder zuschlagen, sondern unseren Schutz auch selbst zu organisieren und uns an Ort und Stelle selbst zu verteidigen.



Unsere Geschichte können und wollen wir selbst bestimmen. Wir wollen nicht, dass sich eine institutionalisierte Erinnerungskultur breit macht, die jegliche Verantwortung von sich weist.

Historische Kontinuitäten müssen wir benennen, um wachsam zu sein.

Nach dem kürzlich der 20 Jahrestag von Rostock-Lichtenhagen mit der Einpflanzung einer deutschen Eiche feierlich begangen,  und das Mahnmal zur Erinnerung an die Ermordung von Roma und Sinti eingeweiht wurde, findet wieder eine rassistische Hetze gegen Flüchtlinge und im speziellen gegen Roma und Sinti statt. Es regt sich wieder kaum ein Widerstand in dieser Gesellschaft. Wir können agieren und uns der rassistischen Hetze entgegen stellen, gleichgültig gegen wen sie sich richtet. Wir müssen offensichtliche Rassismen benennen, dort wo wir sie vorfinden. Intervenieren, wenn wir Rassismus  erleben.





Wir haben mit unserer Initiative zum Gedenken an Ramazan Avci erklärt, dass seine Ermordung im Jahre 1985 ein Wendepunkt in der Geschichte der Migranten darstellte.

Unsere Initiative hat vor 2 Jahren- am 25. Jahrestag der brutalen Ermordung Ramazan Avcis  durch Nazis am Hamburger  S-Bahnhof Landwehr zu einer Versammlung aufgerufen.  Wir haben die Umbenennung des Bahnhofvorplatzes in Ramazan-Avci-Platz gefordert.

Die offizielle Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes  wird nun am 19.Dezember erfolgen.  Bereits Anfang Dezember wird der HVV die Bushaltestelle am Bahnhof nach Ramazan Avci benennen.

Einige Angehörige der NSU Morde haben ähnliche Forderungen aufgestellt und teilweise wie in Kassel schon durchgesetzt.

Was andernorts selbstverständlich ist, scheint bislang in Mölln ein Affront zu sein.

Ignatz Bubis, der verstorbene Vorsitzender des Zentralrats der Juden mahnte  bereits beim ersten Gedenktag am 23. November 1993 in Mölln:

„Wenn wir die Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten lassen, dann nicht um Schuldgefühle zu erzeugen, sondern wir tun es für die Zukunft“.

Wir sind wütend und empört darüber, dass es in Mölln nicht gelingt, einige Straßen nach den Opfern des rassistischen Brandanschlages von 1992 zu benennen. Es ist schleierhaft welches politische Kalkül dahinter steckt?

In Kiel und Köln wurde eine Straße nach Bahide Arslan benannt.

Wir werden nicht aufhören den Bürgermeister von Mölln zu fragen:

„Wie lange wollen sie denn hier noch warten? Wann, wenn nicht spätestens jetzt, Herr Bürgermeister Wiegels?

Müssen wir erst  internationalen Druck auf ihren Kurort mobilisieren, den sie  durch ihr Nichthandeln an diesem Punkt weiter diskreditieren?



Wir geben unser Versprechen, wir werden keine Ruhe geben, bis das realisiert ist.

Wir fordern auch eine würdige Gedenktafel. Keinen Schild, was an eine Arztpraxis erinnert.



Wir fordern eine Bahide Arslan Straße

Wir fordern eine Ayse Yilmaz Straße

Wir fordern eine Yeliz Arslan Straße



Jetzt und sofort und in Mölln, nicht nur woanders.  Hamburg/Mölln, 17.11.12



- - - -